Tekahentahkhwa. So heißt die Zwölfjährige, die sich für die Aufnahme auf die Queen Heights Academy bei der Schulleitung vorstellt und deren Direktorin in mehreren Versuchen, entschuldigungslos und verletzend, kaum mehr die Anstrengung unternimmt, den Namen richtig aussprechen zu wollen. So greift das Mädchen auf ihren Ausweichnamen zurück und bietet an, sie mit „Beans“ anzusprechen. Obwohl Beans schon weiß, was sie später werden möchte, wirkt das Mädchen noch schüchtern und verunsichert. Nicht zuletzt auch, weil der Traum, auf diese Schule gehen zu wollen, scheinbar auch der Traum ihrer Mutter ist. Es wird also an der Zeit, erwachsen zu werden, eigene Entscheidungen zu treffen und herauszufinden, welche Persönlichkeit in ihr steckt. Das sagt nicht nur ihr Vater, sondern auch April, die Nachbarstochter und ganz plötzlich auch ein gesellschaftlicher Konflikt, der zunächst nur vor sich hin schwelte und nun unmittelbar zu einem starken Feuer auflodert.

von Madeleine Eger

„Beans“ ist der erste Langfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin Tracy Deer, die allerdings schon zuvor nicht untätig war und sich bereits mit mehreren Dokumentarfilmen und Serien in ihrer Heimat Kanada einen Namen gemacht hatte. Ihr Debüt ist auf der Berlinale 2021 in der „Generation“-Sektion zu sehen. Sie verortet ihre Coming-of-Age Geschichte im Jahr 1990. Über fast 80 Tage hielt zu der Zeit die „Oka-Krise“ die dortige Bevölkerung und die Mohawk-Gemeinde in Atem. Auslöser der gewaltbereiten Auseinandersetzung: das Vorhaben der Nahe Québec gelegenen Gemeinde Oka, den örtlichen Golfplatz zu erweitern und damit das Land und den dort gelegenen Friedhof des indigenen Stammes für sich zu beanspruchen. Die Krise entblößt im Zuge dessen das hässliche Gesicht einer durch Kolonialismus geprägte Gesellschaft, die dann ganz unverhohlen ihren Rassismus zur Schau stellt. Und genau mit diesem Konflikt wird die Hauptfigur Beans konfrontiert und muss in kurzer Zeit am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, eigene Werte zu hinterfragen, eine eigene Identität zu formen und für eigene Rechte einzustehen.

Wo das junge Mädchen noch am Anfang schüchtern, leicht zu verunsichern und zurückhaltend ist, wird sie zunehmend rebellischer und versucht, Grenzen auszutesten. Denn nachdem ihr Vater ihr unmissverständlich zu verstehen gibt, sie solle selbstbewusster und stärker werden, wächst sogleich auch ihre Faszination für April und deren Freunde. Die Jugendlichen strahlen all das aus, was Beans zu vermissen glaubt. Was zunächst noch mit abgeschnittenen T-Shirts als zaghaftes Aufbegehren in Erscheinung tritt, mündet im Verlauf der Geschichte, und mit gleichzeitiger Eskalation des Konflikts, in emotionalen Ausbrüchen, die zum ersten Mal Wut und Traurigkeit, aufgrund der schier endlosen Hilflosigkeit und Angst vor Anfeindungen, hervorbringen, die Beans manchmal kaum mehr kontrollieren kann.

Wenn also die Familie und Bewohner des Reservats nicht mehr einkaufen dürfen, derbe Beschimpfungen ertragen müssen und im Auto sogar mit Steinen attackiert werden, ist die Welt und ihre Zugehörigkeit für Beans nur noch schwer einzuordnen und ihre angestauten Emotionen entladen sich an zwei Polizisten, die tatenlos über die Geschehnisse hinwegsehen.

Wenn man dem Mädchen dabei zusehen darf, wie es versucht, zu begreifen, was der Konflikt, für sie, ihre Familie, ihre Nachbarn, aber auch für die gesamte indigene Bevölkerung Kanadas bedeutet und sie gleichzeitig auch daran wachsen muss, um für sich selbst einstehen und entscheiden zu können, kreiert die Regisseurin unvergleichlich starke Augenblicke. Die haben aber leider in der Gesamtheit der Erzählung am Ende kaum Substanz. Das liegt vorrangig daran, dass Tracy Deer ihre Geschichte, in unterschiedlichen Abständen, mit reichlich Originalaufnahmen zu verflechten versucht und damit ein Ungleichgewicht in ihren Film bringt, das der Hauptfigur am Ende zu wenig Platz zum atmen und zur Entfaltung anbietet. Vielfach entsteht eine nicht notwendige Episodenhaftigkeit, die der Geschichte zum Teil die Stärke und Dringlichkeit entzieht und der jungen Schauspielerin Kiawentiio ihr beeindruckendes Schauspiel verwehrt.

Nichtsdestotrotz ist das Langfilmdebüt aus Kanada ein sehenswerter Beitrag, der zeigt, dass das Erwachsenwerden auch von politischen Hürden und Konfrontationen geprägt werden kann, die junge Menschen vor komplexer Herausforderungen stellen, die sie am Ende wohl noch ihr ganzes Leben begleiten werden.

Fazit:

„Beans“ ist ein leicht unausgewogenes Coming-of-Age Drama, das vorrangig mit der starken Hauptdarstellerin und der bedeutsamen Hintergrundgeschichte punktet. Nur die Originalaufnahmen hindern den Erzählfluss und sorgen für eine etwas holprige Seherfahrung, die dadurch am Ende leider auch an Stärke einbüßt und weniger mit der Entwicklung der Jugendlichen als mit dem dargestellten Konflikt selbst in Erinnerung bleibt.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(70/100)

Bilder: © Sébastien Raymond