Er sei nicht der Richtige, um eine Rom-Com zu schreiben, schließlich war er mit 40 noch nie verliebt, noch nie in einer langfristigen Beziehung und seine Unabhängigkeit liebt er sowieso. Und überhaupt: dass die Filmproduzenten ernsthaft von ihm eine Rom-Com über nette schwule Menschen erwarten, die auch für Heteropaare funktioniert und zeigt, dass die Beziehungen nach dem Motto „Love is love is love“ gleich sind? – Wohl kaum, wenn Bobby sich auf Grindr mit Dick- und Arschpicks beweisen muss, Meg Ryan und Tom Hanks sich hingegen noch ohne Probleme mit harmlosen Emailchats kennenlernen konnten! Deshalb deklariert Bobby die Vorstellungen der Produzenten im Metakommentar auch auf die Entstehung von „Bros“ als ziemlich großen glattgebügelten Bullshit. Schwule Freundschaften, Liebe und Beziehungen sind nun mal anders. Und im Fall von „Bros“ auch ziemlich witzig und unglaublich charmant.

von Madeleine Eger

Bobby Lieber (Billy Eichner) rühmt sich damit, Single zu sein, sein Liebesleben mit schnellen Hook-ups unter Kontrolle zu haben. Schließlich wüsste er ja, wie Schwule ticken und schon deshalb vertraut er auch keinem mehr von ihnen. Bobby hat aber ohnehin keine Zeit für Beziehungsdramen. Denn gerade hat er alle Hände voll zu tun mit der Eröffnung des ersten LGBTQ+ Museums, bei dem er vor Kurzem eine Kuratoren- und Vorstandsstelle angetreten hat und noch dringend Fördermittel benötigt. Als er jedoch einen seiner Freunde auf eine Release-Party begleitet und Aaron (Luke MacFarlane) kennenlernt, ist es um den überzeugten Dauersingle geschehen. Zwar zeigt sich der muskulöse Anwalt für Erbrecht ebenfalls an Bobby interessiert, allerdings ist Aaron auch einer derjenigen, die sich immer damit rausreden, ja eigentlich gar nicht auf der Suche nach etwas Ernstem zu sein und bloß nichts Festes aus den Bekanntschaften werden zu lassen. Ganz plötzlich finden sich die beiden aber in einem Wirrwarr aus Gefühlen wieder, in dem es am Ende um weit mehr geht als nur darum, ob man gerade gemeinsam in eine Beziehung schlittert …

Die oft auch unbefriedigenden Bekanntschaften beginnen und enden bei Bobby eigentlich schon immer mit einem unverbindlich universellen „Hey, was geht?“. Bloß nicht zu viel preisgeben. Der passionierte Podcaster, dem die Geschichte der LGBTQ+ Community und deren Sichtbarkeit sehr am Herzen liegt und der mit voller Überzeugung darüber spricht, versteckt sich und sein zusammengepuzzeltes „romantisches“ Liebesleben, wie er es gern nennt, zudem immer wieder hinter sarkastischem Humor und Zynismus. So richtig abnehmen kann man ihm also nicht, dass er mit seinem Singledasein voll zufrieden sei, wenn er sich mit spitzzüngigen Kommentaren über die stabilen Beziehungen oder Neuigkeiten des Freundeskreises beim Abendessen auslässt. Aaron erscheint da im ersten Moment als kompletter Gegenpol zum bisweilen sehr intensiven und aufbrausenden Bobby. Eher zurückhaltend, dafür augenscheinlich selbstbewusster, versteckt er seine Unsicherheiten hingegen unter dem durchtrainierten CrossFit Körper oder dem zugeknöpften Businessanzug: Eine Standardzutat für das Genre Rom-Com. Die Dynamik und Spannungen eines ungleichen Paares mit allen Höhen und Tiefen. Aber: Das Duo Billy Eichner und Luke Macfarlane verkörpert in „Bros“ ihre Charaktere, die sich mit ihren Ambivalenzen fortlaufend gegenseitig aus der Reserve locken und aus der Komfortzone schubsen, mit so viel Charme, Charisma und Energie, dass man nicht umhinkommt, mit dem Paar mitzufiebern, wenn nach und nach die Mauer der emotionalen Nichtverfügbarkeit zu Fall gebracht wird.

Währenddessen nimmt Regisseur und Drehbuchautor Nicholas Stoller („Bad Neighbors“, „Nie wieder Sex mit der Ex“) mit Co-Autor Billy Eichner in etlichen bissigen Kommentaren und mit viel Selbstironie einige Themen auseinander. Die moderne Datingszene oder die unzähligen schweren Schwulen-Dramen mit heterosexuellen Darstellern als Awardköder werden da genauso unbeschwert und humorvoll verhandelt wie die Reibereien der LGBTQ+ Communitymitglieder, die als Vorstand des Museums mehr als einmal aneinandergeraten und dabei erst durch einen genialen Rant von Sitcom-Ikone Debrah Messing unterbrochen werden. Denn die interessiert sich für das Projekt und würde das auch gern finanziell unterstützen. Aber als Bobby anfängt, ihr ungefragt von seinen Problemen mit Aaron zu berichten, hat diese einfach so gar keine Lust mehr drauf, wieder auf ihre einstige Rolle aus „Will & Grace“, der verständnisvollen Freundin schwuler Männer, reduziert zu werden.

„Bros“ trifft genau die richtige Tonalität zwischen Komödie, Romanze und Ernsthaftigkeit und schafft es dabei ganz beiläufig, geschichtshistorische Fakten rund um Stonewall oder andere bedeutende LGBTQ+ Persönlichkeiten einzustreuen. Die Macher hinter dem Film sind sich durchaus bewusst, dass sie mit ihrer Rom-Com einen kleinen Meilenstein im Mainstream-Filmgeschäft hinterlassen. Dabei ist „Bros“ zwar nicht unbedingt die erste schwule oder queer-romantische Komödie eines großen Hollywoodstudios, aber endlich eine, die nicht wie erst kürzlich „Fire Island“ direkt nur auf einer Streamingplattform veröffentlicht wird und in der fast der gesamte Cast aus der LGBTQ+ Community stammt. Und dieses Schwergewicht aus Verantwortung, lockerer amüsanter Komik und süßer Romantik stemmt „Bros“ mit Leichtigkeit. Die Rom-Com mag am Ende vielleicht nicht ganz ohne Klischees auskommen, aber da halten es die Macher wie die Hauptfigur Bobby: „Ich bin lieber ein Klischee, als unglücklich“. Und „Bros“ strotzt tatsächlich schlichtweg vor positiver Energie.

Fazit

Rom-Coms feiern ein Comeback. Und mit „Bros“ sogar ein ziemlich buntes, das einer bewährten Formel frischen Wind einhaucht und mit viel Charisma, Witz und Herz überzeugt.

Bewertung

Bewertung: 9 von 10.

(85/100)

„Bros“ wurde am Filmfest Hamburg gesehen.

Bild: (c) Universal Pictures International Germany Gmbh