Hollywoodstar Jennifer Lawrence, die diesen Film nicht nur mit ihrer eigenen Produktionsfirma mitfinanzierte, sondern auch die Hauptrolle übernimmt, war zuletzt in Adam McKay’s „Don’t look up“ zu sehen und bekleidete in den vergangenen Jahren vornehmlich Rollen in großen Blockbusterproduktionen. Mit „Causeway“ schlägt sie nun den Bogen zu den Anfängen ihrer Karriere, als ihr ihre Schauspielleistung in kleineren Indieproduktionen die ersten Nominierungen und schließlich später den Oscar einbrachten. Unter Regisseurin Lila Neugebauer, deren Wurzeln im Theater liegen und die mit diesem Film ihr Langfilmdebüt feiert, ist „Causeway“ ein umsichtiges Drama, in dem verletzte Seelen den Kampf zurück ins Leben bestreiten. Und auch wenn die von Lawrence gespielte Lindsay zunächst nur mit einem kleinen Handkoffer unterwegs ist, man merkt sofort, das tatsächliche Gepäck, das sie zu tragen hat, ist um einiges größer.

von Madeleine Eger

Lindsay (Jennifer Lawrence), als Ingenieurin bei der US-Armee tätig, wurde bei einem Bombenanschlag in Afghanistan verwundet. Um sich von der schweren Gehirnverletzung zu erholen, wurde sie deshalb zurück in ihre Heimatstadt gebracht. Dort wird sie zunächst von Sharon (Jayne Houdyshell) betreut, bevor sie später zu ihrer Mutter ziehen soll. Rehabilitation, die darauf abzielt, die grundlegendsten Dinge wie Kleidung anziehen oder Zähneputzen wieder zu erlangen und den Weg in die Selbstständigkeit und die Rückkehr in die Gesellschaft zu ebnen. Trotz der allmählichen Fortschritte wächst in Lindsay stille Frustration. Sie will so schnell wie möglich zurück in ihren alten Job, auch wenn sie dafür sie sich selbst und die Ärzte belügen muss. Dann allerdings lernt sie den Automechaniker James (Brian Tyree Henry) kennen, der ebenfalls mit einem schweren Trauma zu kämpfen hat. Ein oft wortloses Band aus Empathie und Verständnis entsteht, das beiden den Beginn einer beschwerlichen und schmerzhaften Heilung ermöglicht.

Anfänglich wirkt Lindsays Körper, als würde ihn das absolute Minimum für die bloße Existenz am Leben halten. Mit starrem Blick, der fortwährend in die Ferne schweift, ist die verletzte Frau irgendwie verloren im Moment, zwischen Vergangenheit und Zukunft ohne greifbare Gegenwart. Mehr als einmal muss sie aus der Taubheit, die ihren Körper einhüllt und den Geist umnebelt, herausgeholt werden. Apathie, die mit Isolation einhergeht und die sich auch in den ruhigen, unaufdringlichen und naturalistischen Bildern widerspiegelt, mit denen Kameramann Diego García (Apichatpong Weerasethakuls „Friedhof der Könige“ oder Paul Danos „Wildlife“) die Geschichte und die Entwicklung der traumatisierten Frau begleitet. Eingehüllt in einem Spiel aus warmen und kühlem Licht, in dem die Farben in verwaschenem beige oder grau verschwimmen, bildet sich eine reizarme, gedämpfte und gleichzeitig schwere, zuweilen erdrückend dichte Atmosphäre, die das pulsierende Leben von New Orleans lediglich im Hintergrund durchschimmern lässt. Eine Welt, die nicht Lindsays zu sein scheint, aber zu ihr durchbricht, wenn sie kleine Stressfaktoren aus ihrer zu früh erzwungene Normalität und ihrem selbstauferlegten Funktionieren aus der Bahn werfen. In diesen Augenblicken bedient sich Regisseurin aber nicht nur anschwellender Musik. Auch minimale Veränderungen in der Farbpalette, die sonst das gesamte Blauspektrum abbildet und die junge Frau entweder über Kleidung oder später bei ihrer Arbeit der Poolreinigung begleitet, signalisieren eine nahende Reizüberflutung, Konfrontation oder auseinandersetzende Veränderungen.

Dabei spielt Jennifer Lawrence ihre Figur mit spürbarem Nachdruck und berührend nuanciert. Denn trotz dessen Lindsaymeist in niederschmetternder Regungslosigkeit verweilt, oft gefangen und entmachtet wirkt, sieht man in den Augen und in dem noch kraftlosen Körper Gedanken und Emotionen vorüber ziehen. Irgendwo zwischen Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit, Angst und Frustration scheint ein starker Wille, der sich nicht nur auf die Flucht vor der Vergangenheit vorbereitet, sondern sich auch nach Fürsorge, Zugehörigkeit und so etwas wie Frieden sehnt. Vieles davon bleibt unausgesprochen, tief zurückgehalten in den Erinnerungen der Figuren. Nur über Umwege und die Interaktionen mit ihren Mitmenschen lassen sich Bruchteile ablesen, in denen ebenfalls etwas Dunkles zu stecken scheint. Wie etwa die trinkende Mutter, die kaum hinter die Fassade des unversehrten Körpers ihrer Tochter blicken kann oder will, für Lindsay nach langer Zeit zuerst als schemenhafter Schatten in der Tür erscheint und später ihren Zustand lediglich als müde tituliert. Oder der drogenabhängige Bruder, der im Gefängnis sitzt. Ihren Arzt, der sich ausschließlich auf ihre Kriegsverletzung fokussiert und sich lange weigert ihre erneute Tauglichkeit zu attestieren, wird sie deshalb im Laufe der Treffen fragen, was ist, wenn Afghanistan nicht das einzige Trauma war.

Und so wie Lindsay steckt auch James in einer Vergangenheit fest, die es schwer macht, die Gegenwart anzunehmen. Brian Tyree Henry, dessen schauspielerische Wandelbarkeit (zuletzt „Bullet Train“ oder „Eternals“) unglaublich beeindruckend ist, bildet mit Lawrence ein außerordentlich starkes Schauspielpaar. In ihrer nicht romantischen Beziehung, die sich langsam über gefasstes Vertrauen entwickelt und die den Film über weite Strecken trägt, lernen sie miteinander, was es bedeutet sich jemandem zu öffnen, sich mit Geschehenem auseinanderzusetzen und vielleicht zukünftig damit abschließen zu können. Und obwohl „Causeway“ durchweg fantastisch beobachtet ist und die Hauptdarsteller mehr als einmal ihr Talent unter Beweis stellen, bleibt das Drama emotional eben aufgrund der Zurückhaltung etwas zu distanziert, um die emotionale Reise vollends miterleben zu können.

Fazit

Herausragend inszeniert, bietet „Causeway ein eindrucksvoll starkes Darstellerpaar, fesselnde wie sensible Momente, scheitert schlussendlich aber am emotionalen Durchbruch und der schier undurchdringbaren Verschlossenheit. Seit 4.11. auf Apple TV+.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(70/100)

Bild: (c) Apple TV+