Von Amina Aziz

Eine revolutionäre Bewegung hat Iran erfasst, ihr Schlachtruf: „Jin, Jiyan, Azadî“. Trotz Widersprüchen und Konflikten, etwa mit Monarchist*innen, setzen auch die Demos in Berlin mit mehreren Tausend Teilnehmenden ein starkes Zeichen. 

Die Bäume am Oranienplatz in Berlin- Kreuzberg bieten den Gruppen, die vor Beginn der Demonstration an einem Samstag Anfang Oktober eintrudeln, Schutz vor dem leichten Regen. Profis und vorausschauende Teilnehmende haben ihre Plakate in Folie oder Tüten gewickelt. Es entsteht eine Klangkulisse aus leisen und lauten Demorufen, je mehr Menschen eintreffen. Auf Farsi rufen die einen: „Mullahs sollen sich verpissen“, die an- deren singen hoffnungsvoll und metaphorisch: „Der Winter neigt sich seinem Ende zu.“ Eine Person aus dem Orga-Team des Woman*-Life- Freedom-Kollektivs, das zur Demo aufgerufen und sie organisiert hat, verteilt den Songtext von „Baraye …“, zu Deutsch „Für …“, von Shervin Hajipour. Aus Tweets mit Wünschen und Hoffnungen der Menschen aus Iran hat der dort lebende Sänger einen Song gemacht, der viral gegangen ist. Danach ist Hajipour plötzlich verschwunden. Zum Zeitpunkt der Demo gehen viele davon aus, er sei verhaftet worden, und machen sich Sorgen. Erst später meldet er sich auf Instagram mit einem vermutlich unter Druck entstandenen Statement zurück: Es gehe ihm gut. Sein Lied ist längst zu einer Hymne der Protestbewegung geworden.
Es wird voller und lauter. „Jin, Jiyan, Azadî“, rufen diejenigen, die neu dazukommen, kämpferisch. Also: Frau, Leben, Freiheit. Etwas abseits des Platzes, ungeschützt vorm Regen, stimmt sich eine weitere Gruppe singend auf die Demo ein. „Yar-e dabestani-ye man“, „mein*e Grundschulfreund*in“, gehört zum musikalischen Kanon des Widerstands. In dem Lied geht es um den gemeinsamen Kampf gegen Unterdrückung. Es ist ursprünglich der Soundtrack eines politischen Films von 1980, einem Jahr nach der Revolution, mit der die Bevölkerung der jahrtausendealten Monarchie in Iran ein Ende gesetzt hatte. Heute tummeln sich auch Monarchist*innen auf dem Oranienplatz in Kreuzberg.

Sie sind an den Fahnen mit dem schwertschwingenden Löwen in der Mitte und einer Krone obendrauf zu erkennen. Manche Fahnen haben keine Krone, nur den Löwen. Das könnten Nationalist*innen sein. Dabei hat das Kollektiv darum gebeten, National- und Parteifahnen zu Hause zu lassen. 

 

Iranische Monarchist*innen sind weltweit gut organisiert und finanziert. Sie wollen den Sohn des letzten Königs auf den Thron hieven. Manchmal gelingt es ihnen, mit dem romantisierenden Bild eines ansehnlichen Königspaars – sie natürlich ohne Kopftuch und bestenfalls im Rock – bei einigen an ein nostalgisches Bild vermeintlicher Liberalität anzudocken. Doch die historischen Fakten lassen diese Romantisierung eigentlich gar nicht zu: Die Abschaffung der absoluten Monarchie Anfang des 20. Jahrhunderts und die Einführung der konstitutionellen Monarchie zeugten ebenso von der Unzufriedenheit der Bevölkerung wie die Tumulte und Aufstände nach d…